Als ich nur wenige Tage vor dem Hinübergang Johannes Haiders
den "Rundfall" in Eisenstadt
fotografierte,
neben dem ich unmittelbar wohne, ahnte ich nicht, dass ich schon bald darauf auf das
Begräbnis des Künstlers gehen sollte. Ein Sturz im Haus in Oslip, wo die
NN-Fabrik seit 14 Jahren beheimatet ist, ging für Hannes tödlich aus, kurz vor
seinem 60sten Geburtstag. Den darf er nun schon in einer anderen Welt feiern.
Gräser waren in den
letzten Jahren sein besonderes Motiv. Ich fand eine Einladung von 2012, wo sie
ebenfalls schon aktuell waren. Auch vorne beim Altar in der Bergkirche prangten
seine Gräser. Grüne nun in neuer Fülle auf der anderen Ebene, lieber Hannes!
Siegmund Kleinl, von
Anfang an mit Hannes gemeinsam am Wirken, hielt nach dem Evangelium eine Predigt der besonderen Art, einen äußerst bewegenden
Nachruf, den er mir zur Verfügung gestellt hat. Danke, Siegi, für Deine so geistvollen, tiefen Worte!
Eine besonders nette Geste: Die Familie
von Hannes lud in seinem Sinne alle nach der Verabschiedung in die
Cselley-Mühle ein. Es war ein wirklich nettes Beisammensein,bei dem noch viel wohltuender Austausch möglich war. Ganz herzlichen
Dank dafür!
Ich kenne die NN-Fabrik seit sie am Zuckerfabrik-Gelände in Siegendorf gegründet wurde, bekam die Einladungen,
und besuchte sporadisch die Veranstaltungen.
Johannes Haider,
einer der hervorragendsten burgenländischen Künstler, war äußerst aktiv, auch
bereits international. Er half aber auch jungen Künstlern immer wieder, wie dem Bananensprayer Thomas Baumgärtel und Birgit Sauer in ihren Anfängen. Birgit brachte zum Dank einen Strauß weißer
Rosen. Ich sprach mit der Künstlerin:
"Birgit, was war es genau, das Dir so eine große Hilfe
war?" "Hannes hat mir in allem geholfen, im Künstlerischen und Geschäftlichen.
Auch die Bohrmaschinen für den Rahmenbau und vieles andere lernte ich
handhaben. Inzwischen bin ich ja schon lange selbständig, aber ich bin Hannes
sehr dankbar für vieles." Ja, Birgit hat von der anfänglichen, reinen
"Haiderischen" Strichkunst zu ihrem eigenen, sehr beachtlichen Stil gefunden.
Ihre nächste Veranstaltung ist am Donnerstag:
Blurred -
Ausstellung von Birgit Sauer
19:00 Uhr
Wiener
Städtische - Kalvarienbergplatz 7, 7000 Eisenstadt
Weitere Bilder auf:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.922431897785668.1073742002.100000566001538&type=1&l=a73e9f6f3b
Johannes Haider
Nachruf von Siegmund Kleinl
Versammelte Trauergemeinde!
Liebe Angehörige von Johannes mit seinen drei Söhnen Raffael,
Kaspar und Tillmann, die er auf seine besondere Weise geliebt hat!
Durch die Kunst ist der Künstler der Ganzheit des Lebens stets
nahe, auch im Tod.
Rilke sagt, dass der Tod nur die dunkle Hälfte der einen Frucht
des Lebens ist.
Der Blick auf das Ganze des Daseins macht Hoffnung, auch wenn
das leibliche Nichtmehrdasein von Johannes Haider schmerzt, uns, die ihn
gekannt haben als ungewöhnlichen Menschen und Künstler.
Es gibt verschiedene Theorien über ein Kunstwerk und sein
Entstehen. Eine dieser Theorien besagt, dass ein Bild im Künstler angelegt ist,
er müsse es nur heben, wie es Johannes ausdrückte, als ich zum letzten
Mal bei ihm in der NN-fabrik in Oslip war. Aber auch umgekehrt: Das Bild ist
nicht nur im Künstler, er ist auch im Bild, lebt in ihm. Im gelungendsten Fall
ist er mit dem geschaffenen Werk eins. Er ist das Bild.
Johannes Haider hat sich in den letzten Monaten und Wochen
seines Lebens immer mehr dieser Höchstform künstlerischer Existenz genähert,
als wolle er, so mein Eindruck, seine ganze Lebensenergie in die Bilder
investieren, ja sich selbst in seiner personalen Leibhaftigkeit ihnen
übereignen.
Als er mir vor knapp mehr als zwei Wochen in der NN-fabrik, die
er und ich 1991 gemeinsam als Kunst- und Literaturedition gegründet haben,
seine letzten Arbeiten zeigte, da offenbarte sich mir eine Dimension seines
Werkes, die ich bis dahin noch nicht bewusst wahrgenommen hatte.
Gräser war das Thema der Buntstiftzeichnungen seiner letzten
Schaffensjahre. Er ist damit zu einem Material und einer Technik zurückgekehrt,
die er auch am Anfang seines künstlerischen Schaffens verwendet hat. Ich
erinnere mich an eine Zeichnung, die am Cover eines Religionsbuches der
AHS-Oberstufe abgebildet war und eine blühende Wiese in überbordender
Lebensfülle darstellte.
Dieses Motiv einer biotopischen Wiese hat er in seinem Spätwerk
unter dem Titel Gräser wieder aufgegriffen und gewandelt. Es sind
Zeichnungen mit Farbstiften in verschiedensten Varianten und Formaten. Sein
letzter Wunsch an mich war, über diese Bilder zu schreiben.
Begonnen hat Johannes mit dem Gräser-Motiv auf der Kupferplatte,
die für ihn der Bildträger schlechthin war. Es ist keineswegs übertrieben, die
NN-Fabrik als eines der Zentren der Kunstgraphik Europas zu bezeichnen.
Bekannte Künstler aus Österreich und weit darüber hinaus haben hierorts
Radierungen geschaffen, deren Qualität in der internationalen Kunstszene große
Beachtung fand.
Wir, Johannes und ich, sehen uns eine Radierung, Gras
betitelt, an und er sagt: Daran muss ich noch arbeiten. Es ist zu wenig Leben
darin.
In den Gräsern seiner Buntstiftzeichnungen hingegen ist Leben in
Fülle: ungemein kraftvolle Striche, ein intensives, nuancenreiches Grün in
dynamischer Bewegung, so als würden die dichten Halme vom Wind beatmet und
bewegt. Der Wind steht in der Kulturgeschichte immer für Atem, Geist, Leben.
Er ist wie das Gras Symbol für eine geradezu göttliche
Vitalität, aber auch für Vergänglichkeit.
Windhauch, Windhauch, alles ist Windhauch, lesen wir im
biblischen Buch Kohelet, und im Psalm 103 heißt es: Der Mensch ist wie Gras.
Wie Johannes Haider. Er hat seine ganze Energie in dieses Motiv gesteckt, sie
verschwendet, damit es wachse und Frucht bringe.
Zu den Gräsern zählt nicht nur das Wiesengras, das Johannes in
seinem großen Skulpturengarten durch die hohen Glastüren seines Ateliers in
Oslip immer vor Augen hatte, auch Roggen, Gerste und Weizen gehören dazu.
In den Grasbildern von Johannes Haider steckt so viel
Energie, dass man den Eindruck gewinnt, er wolle sie zu Brot werden
lassen, zu einem Lebensmittel für die Betrachter. Kunst ist ja immer auch ein
Lebensmittel, ein Mittel zum Leben.
Der Künstler ist ein Wandler, ein Verwandler. Er verwandelt sich
und das Wesen der Dinge. Die Farbstifte werden im künstlerischen Prozess zum
Bild. Wandlung des Künstlers Johannes Haider:
Werker, Wirker, Verwirklicher, Verwirklichter.
Wie Brot und Wein durch die eucharistische Wandlung zu Leib und
Blut Christi werden, so wird durch das Verfahren des Künstlers das verwendete
Material zu einem lebendigen Bildkörper, wandelt sich der Künstler vom Geschöpf
zum Schöpfer seiner selbst. Im Kunstwerk ist die gewandelte Lebensenergie des
Schaffenden enthalten. Er lebt in den Bildern in anderer Gestalt weiter.
Anschaulich wird diese kühne Behauptung, die eine Form der
Überwindung des Todes ist, bei genauer Betrachtung der Gras-Zeichnungen.
Diese Bilder von Johannes vor meinem geistigen Auge, erspüre ich
eine Aura, die den entscheidenden Mehrwert einer Zeichnung ausmacht. Es ist
das, was der Kunstschaffende nicht machen kann, was ihm gegeben werden muss,
damit seine Arbeit zum Kunstwerk wird.
Es bleibt in unserem Leben trotz all unserer Bemühungen und
Leistungen ein essentieller Rest des Nichtmachbaren. Erst durch diesen Rest
bekommt unser Sein seine Eigentlichkeit, sein wahres Leben. Das, was uns in
unserem Menschsein zutiefst eigen ist, wird uns letztlich in seiner vollendeten
Form geschenkt. Und dieses von uns erwirkte und gleichzeitig uns zukommende
Leben, das über den Tod hinausgeht, ist für Johannes, für uns alle, seine
Angehörigen, Freunde und Kollegen, fürwahr keine Illusion, wie wir hoffen und
glauben.
Wie der Künstler Johannes Haider für seine Bilder gelebt hat und
in diesen Bildern lebt, so lebte er auch für seine Kinder, die drei Söhne
Raffael, Kaspar und Tillmann.
Sein ältester Sohn Raphael hat mit ihm eine Zeitlang in der
NN-fabrik gearbeitet, hatte in vielen Radierungen von Johannes seine Hand im
Drucken der Kupferplatte, hat sich so gesehen hineingehandelt in das Lebenswerk
des Vaters.
Die jüngeren Söhne, Kaspar und Tillmann, die bei ihrer Mutter in
Frankfurt leben, haben sich bei ihren Aufenthalten in Oslip immer
daheimgefühlt. Johannes war auf seine ihm eigene Art ein sorgender und
liebevoller Vater und die Kinder schienen mir in seiner Nähe immer glücklich zu
sein.
Er hat ihnen in der kurzen Zeit, die sie miteinander
verbrachten, viel mitgegeben für ihr Leben.
Ich denke, dass ihm dieses Mitgeben seines Könnens auch als
Professor für bildnerische Erziehung im Gymnasium Wolfgarten im Blick auf seine
Schüler ein Anliegen war. Er versuchte sie über die Kunst dazu anzuregen, sich
selbst zeichnend und malend in Form zu bringen. Und bei nicht wenigen konnte er
auch durchaus etwas bewegen.
Seinen Kollegen gegenüber war er kritisch, wirkte manchmal etwas
distanziert, war es vielleicht auch, gleichzeitig aber versuchte er, wie ich
aus vielen Gesprächen mit ihm weiß, ihr Denken und Handeln zu verstehen. Er hat
mit mir immer wieder über die Fähigkeiten und Stärken jeder und jedes Einzelnen
aus unserer Kollegenschaft gesprochen.
Auch wenn Johannes Haider nun physisch von uns, die wir hier
versammelt sind, getrennt ist, wird er weiter zu uns gehören und vor allem
durch seine Realpräsenz in seinen Bildern bei uns sein.
Lieber Johannes, tiefen Dank für das, was du uns warst und
weiter sein wirst.